Katechesen über das Glaubensbekenntnis

Katechesen über das orthodoxe Glaubensbekenntnis

 

 

Erste Katechese: Zur Einführung

 

 

Diese Katechese-Reihe möchte den orthodoxen Glauben vorstellen, indem es unser orthodoxes Glaubensbekenntnis auslegt und erläutert, denn der orthodoxe Gläubige, der den Glauben seiner Kirche kennt, erlangt einerseits ein beständiges und untrügliches Kriterium, mit dem er den häretischen Gespinsten und vielschichtigen ideologischen Welt- und Sinndeutungen des Zeitgeistes widerstehen kann und - was eigentlich noch wichtiger ist - eine Anleitung zu einem vom Glauben geprägten Leben, dass ihn dann Schritt für in die lebendige Gemeinschaft mit Gott hineinführen wird.

 

Der orthodoxe Glaube basiert auf der Heiligen Schrift und der kirchlichen Tradition. Das heißt, dass der orthodoxe Glaube auf dem Fundament des Heiligen Evangelium gegründet ist und Seine konkrete Ausformung durch die orthodoxe Glaubenslehre der hl. Väter gewinnt.

 

„Ich bin die Tür“, so sagt uns der Herr Jesus Christus, „wer durch Mich eintritt, wird gerettet werden!“ (Joh 10:9). Christus ist unser Heiland und Erlöser, der menschgewordene Sohn Gottes, der uns einlädt, an Seiner Hand die Pforte zum Himmelreich, die wir schon in diesem Leben finden können, zu durchschreiten.

 

Diese Pforte zum Himmelreich ist in der Heiligen Orthodoxen Kirche für uns zu finden. Denn dort können wir Christus begegnen, der gesagt hat: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh. 14: 6). In der hl. Kirche vollzieht sich das Geheimnis unseres Glaubens. „Das aber ist das ewige Leben, dass sie Dich, Der Du allein wahrer Gott bist, und Den Du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Joh. 17:3). Die Kirche ist keine menschliche Erfindung, sondern die Gabe Gottes zur Erlösung der Welt. Unser Herr und Erlöser Jesus Christus hat Seine hl. Kirche gestiftet, um die Christgläubigen zu einem Leib, Seiner Kirche zu vereinen. (vgl.: Kol. 1:28). Nur in der Orthodoxen Kirche finden wir einen sicheren Weg zum Heil angesichts der vielfältigen und schillernden Sekten, Philosophien und Ideologien.

 

Wenn wir auf die Geschichte der hl. Kirche, die Christus Selbst gegründet hat, schauen, so finden wir hier eine einzige ungebrochene Linie, auf der das Evangelium Christi und der Weg zum Heil rein und unverzerrt bewahrt wurde. Dieser sichere Weg zu Gott ist in der hl. Orthodoxie zu finden. Sie ist deshalb der Maßstab des wahren Christentums. In der Orthodoxen Kirche wirkt der Heilige Geist, der uns zum Zustand der Heiligkeit und Vergöttlichung (Theosis) hinführt und Der durch den Mund der hl. Väter in authentischer Weise das Wort Gottes interpretiert.

 

Der orthodoxe Glaube, der auf dem Zeugnis der Heiligen Schrift und der patristischen Tradition basiert, muss „kirchlich“ sein, das heißt, er muss im Leben der Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche zum Ausdruck kommen, welche den mystischen Leib Christi auf Erden bildet.

 

Diejenigen, welche sich in der Gemeinschaft mit dem Leib Christi, der Orthodoxen Kirche, befinden und ihre gläubigen Glieder sind, erfahren die geistgewirkte heilige Leben aufgrund ihres gelebten orthodoxen Glauben, welcher, wie ich bereits sagte habe, auf der Heiligen Schrift und der patristischen Tradition basiert und durch die hl. Kirche in der lebendigen Verbindung mit Christus (Χριστολογία = als lebendige Rede Christi) und in Übereinstimmung mit dem kirchlichen Glauben (Έκκλησιολογία = als Worte des kirchlichen Glaubens) den Gläubigen dargelegt wird.

 

Treten wir also ein durch die Pforte Christi, die uns den Weg zum ewigen Leben eröffnet!

 

Beschreiten wir den Pfad des katholischen und Apostolischen Glaubens!

 

Der orthodoxe Glaube ist die einzige, vom Dreieinigen Gott geoffenbarte Wahrheit. Diese wurde angesichts der verschiedenen häretischen Herausforderungen in der Vergangenheit von den heiligen sieben Ökumenischen Konzilen verteidigt.

 

Auch wir sind aufgefordert den orthodoxen Glauben unverfälscht und unverkürzt zu bekennen, ohne Menschenfurcht, aber immer auch ohne lieblosen zelotischen Fanatismus. Es gilt in Liebe und Freundlichkeit vor unseren Mitmenschen Zeugnis abzulegen angesichts der vielfältigen ideologischen und pseudoreligiösen Strömungen des Zeitgeistes, die uns wie Irrlichter umgeben und vom Weg des Glaubens, dem Weg der hl. Kirche, dem Weg zu Gott wecklocken wollen.

 

„Wie die Propheten schauten, wie die Apostel lehrten, wie die Kirche (von Christus) empfing, wie die heiligen Lehrer lehrten, wie die Ökumene beistimmte, wie die Gnade erleuchtete, wie die Wahrheit zeigte, wie die Lüge verworfen ward, wie die Weisheit mit Freimut bekundete, wie Christus siegte – so denken wir, so bezeugen wir, so verkünden wir Christus unseren wahren Gott und ehren Ihn….“, so bekennt das Synodikon am Sonntag der Orthodoxie, dem ersten Sonntag in der der Großen Fastenzeit, was das besondere des orthodoxen Glaubens im Gegensatz zu den anderen christlichen Meinungen ausmacht.

 

Dieser Orthodoxe Glaube wurde von den Sieben Heiligen Ökumenischen Konzilen festgehalten, verteidigt und uns im „Symbol des Orthodoxen Glaubens“ (slawisch: Символ веры/ griechisch: Τὸ Σύμβολο τῆς Πίστεως) auch das „Orthodoxes Glaubensbekenntnis von Nizäa/Konstantinopel“ genannt, überliefert.

 

In diesem Glaubensbekenntnis beschreiben die die hl. Väter in kurzen, prägnanten Formulierungen den Heiligen Orthodoxen Glauben und beziehen sich dabei auf all seine Aspekte: die Lehre über den Dreieinigen Gott, die Lehre über Christus und Sein Heilswerk, die Kernaussagen über unsere Errettung, die Lehre über die Heilige Kirche und die Lehre über die letzten Dinge.

 

In dieser Reihe von Gemeinde-Katechesen werde ich versuchen, diesen heiligen orthodoxen Glauben möglichst knapp und so verständlich wie nur möglich darzustellen, so dass jeder orthodoxe Christ oder derjenige, der wünscht, ein orthodoxer Christ zu werden, eine bessere Kenntnis und ein tieferes Verständnis des orthodoxen Glaubens erlangen möge.

 

 

Zweite Katechese:

 

Was bedeutet es orthodox zu glauben?

 

 

Mit den Worten „ich glaube“ beginnt das orthodoxe Glaubensbekenntnis. Hiermit wird bereits eine grundlegende Wahrheit über das Menschsein ausgedrückt: Die Fähigkeit zu glauben ist die Wurzel - wir können auch sagen das grundlegende Paradigma - unseres Menschseins. Der Mensch ist nach dem Gleichnis und Abbild Gottesund damit zur Gemeinschaft mit Gott erschaffen worden (vgl.: Gen 1:26 f.), das bedeutet, er ist durstig nach Gott und nach Seiner Nähe. „Wie der Hirsch lechzt nach Wasserbächen, so lechzt meine Seele nach Dir, o Gott“ (siehe Psalm 42:2).

Diese Orientierung des Menschen auf Gott, dieses beständige Streben des menschlichen Herzens auf die Gemeinschaft mit Gott hin, ist die eigentliche, uns von Gott bei der Erschaffung des Menschen eingepflanzte „conditio humana“. Hierin drückt sich die essentielle Qualität unseres Menschseins aus, also das, was für unser Menschensein grundsätzlich konstitutiv ist. Während die Moderne die rationale Fähigkeit des Menschen für das eigentlich Konstitutive des Menschseins hält, ist es in Wahrheit jedoch sein Streben nach Gott, was den Menschen überhaupt erst zum Menschen werden lässt. Der Mensch wurde von Gott zur Teilhabe an der transzendenten Dimension allen Seins erschaffen, zur Gemeinschaft mit Gott, die die hl. Väter die Vergöttlichung (Theosis) nennen. Der Mensch ist deshalb von seinem Wesen her religiös. Immer, an allen Orten und zu allen Zeiten, haben Menschen geglaubt. Hiervon stellt nicht einmal der moderne Westen eine Ausnahme dar. Der moderne Atheismus, Agnostizismus und Laizismus ist am Ende mit seiner Nichtanerkennung des tatsächlichen Charakters der auf die Verherrlichung (δόξα/ dóxa) Gottes ausgerichteten Wirklichkeit letztlich nur eine vom Teufel inszenierte Täuschung, die zur Anbetung innerweltlicher Götzen führt. Ein wirkliches Verstehen des Menschseins verlangt dagegen nach der Anerkennung unserer Fähigkeit zu glauben.

 

Die deutsche Sprache ist in Bezug auf den Unterschied zwischen „Meinung“, „Annahme“ „Ansicht“ und „Überzeugung“ sowie dem religiösen  „Glauben“ als der konstitutiven menschlichen Offenheit für die Gegenwart des transzenden Gott leider eher unpräzis. Die englische Sprache dagegen fasst die verschiedenen innerweltlichen Meinungen mit dem Begriff „believes“ zusammen, während für den religiösen Glauben der Begriff „faith“ reserviert ist.

 

Das grundsätzliche Problem der Moderne ist, dass die Menschen häufig „faith“ mit „belief“ gleichgesetzt und mit diese beiden Weisen von "Glauben" entweder vermischen oder verwechselt. Aus diesem Grunde ist die Formulierung „ich glaube“ ein Aussage, die die Menschen in einem weitgefassten, aber auch ungenauen Bedeutungsspektrum benutzen.

 

Im weltlichen Sinn bedeutet „etwas zu glauben“ „etwas für wahr halten“ Dieser „Glaube“ bezieht sich auf Informationen, Wertungen oder Meinungen, Sinndeutungen und Ideologien, aus einer als autoritativ und vertrauenswürdig geltenden Quelle. Dazu gehören vor allem die, normativen Charakter einfordernden, Sinndeutungen der Politiker, Wirtschaftsführer, Wissenschaftler und anderer einflussreicher Personen in unserer Gesellschaft. Diese nutzen meist das sogenannte „Framing“, um in einem bewusst gesteuerten Prozess Ereignisse und Themen in bestimmte Deutungsmuster oder Narrativen bzw. Erzählmustern einzubetten, damit der Meinungsbildungsprozess der Zuhörer dadurch gesteuert werden kann. Es geht darum, die Wirklichkeit so zu selektieren und strukturieren, dass bestimmte Problemstellungen, Ursachenzuschreibung, moralische Bewertung und Handlungsempfehlung im Sinne der jeweils Einfluss ausübenden Person ausfallen. In modernen Gesellschaften wird über Ideologisierung, Marketing und bewußt eingesetzen Metaphern ein sogenannter "common sence" erzeugt. Dieser Common Sence fasst den allgemeinen Überzeugungskanon in einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit zusammen. Für diese normativen Meinungsauffassungen, die nach dem jeweils gültigen Zeitgeist varieren können, gibt es im Amerikanischen den Ausdruck „civil religion“. Diese „zivile Glaube“ fasst den jeweils herrschenden Zeitgeist in Normen und Ideologien zusammen, also als das, was in der jeweiligen Gesellschaft (möglichst von allen) als unabweisbar anzunehmen sei.

 

In den Gesellschaften der modernen westlichen Welt gibt es also Grundüberzeugungen, die so gut wie durchgängig von fast allen dort lebenden Menschen anerkannt werden. Im Zeitalter der sogenannten Postmoderne basieren sie fast ausschließlich auf säkularen Parametern und Verständnisweisen, die dann den jeweiligen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen zu Grunde gelegt werden.Diese Denkmuster können, aber müssen nicht immer, mit dem Ethos der Kirche übereinstimmen. Deshalb kommt es in der Praxis häufig vor, dass mit dem Hinweis auf die allgemeinen gesellschaftlichen Normen Ansichten umgesetzt werden, die sich von der Lehre der orthodoxen Kirche grundlegend unterscheiden. Orthodoxe Christen geraten deshalb immer wieder in Situationen, in denen sie von den gesellschaftlichen Gruppen oder staatlichen Strukturen gezwungen werden sollen, gegen den orthodoxen Ethos und die orthodoxe Geisteshaltung zu denken und zu handeln. Ein klares ausgesprochenes Bekenntnis zum orthodoxen Glauben und eine ungehinderte Ausübung der religiösen Praxis werden für christliche Ärzte, Krankenpfleger, Altenpfleger, Erzieher und Lehrer – um hier nur einige der betroffenen Gruppen zu nennen – inzwischen zunehmend schwieriger.

 

Nicht nur im Sowjetkommunismus, sondern auch in unseren, durch Laizismus, Konsum und Profitorientierung bestimmten, Denk- und Gesellschaftsstrukturen stellt sich für gläubige Christen immer wieder die Bekenntnisfrage. Seit der heidnischen Antike stehen Christen in jeder Gesellschaftsform vor der Aufgabe, Zeugnis für das wichtigste Ziel im Leben eines Menschen – die Befreiung von der Sünde und die Erlangung des Heils – abzulegen.

 

Der, im kirchlichen Leben beheimatete und vom Ethos des Evangeliums geprägte orthodoxe Christ verfügt dafür über eine spezifische orthodoxe Denk- und Verhaltensweise, über eine besondere orthodoxe Mentalität. Die orthodoxen Griechen sprechen hier von „Phronema“ (φρόνημα), die orthodoxen Russen von „Sobornost“ (Соборность) und „Zerkovnost“ (церковность). Es ist ein besonderes orthodoxes kirchliches Bewusstsein, das den Gläubigen mit der Kirche glauben und in ihrer Gemeinschaft leben lässt. Diese orthodoxe Geisteshaltung verbindet die rechte Art zu glauben und zu beten (ορθοδοξία/ orthodoxia) mit der rechten Art als orthodoxer Christ zu leben (ορθοπραξία/ orthopraxia) miteinander.

 

Orthodoxia und Orthopraxia bilden eine synergetische Einheit, die wir als die orthodoxe Spiritualität oder die orthodoxe Geisteshaltung bezeichnen. Sie ist vom Geist der hl. Väter geprägt und geleitet. Das Wort „Spiritualität“ (Πνευματικότης/ Pnevmatikotis) kommt von geistgewirkt, also griechisch „pnevmatikōs“ (πνευματικός). So ist der geistliche  Mensch im orthodoxen Verständnis ein Mensch, in dessen Herzen der Heilige Geist Wohnung genommen hat (vgl.: (1. Kor. 3:16). Nicht jede Form von Spiritualität ist geistlich. Seit apostolischer Zeit lehnt die orthodoxe Kirche den sogenannten Synkretismus, also die Vermischung zwischen dem christlichen Glauben und heidnischen Glaubensvorstellungen ab.

 

Die Heiligkeit ist nach orthodoxem Verständnis nicht einfach irgendeine Gabe Gottes an den Menschen, sondern sie ist vielmehr das Leben des Heiligen Geistes selbst, das ausgegossen ist in unsere Herzen (vgl.: Röm 5:5). „Das ist der Wille Gottes - eure Heiligung" (1. Thess. 4:3), weil Gott selbst heilig ist: „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig" (Lev 19:2). Das Wort „heilig“ möchte im orthodoxen Verständnis eine umfassende Wirklichkeit beschreiben, in der wir im Prozess unserer Heiligung und Vergöttlichung gnadenhaften Anteil hat an der Heiligkeit Gottes erlagen dürfen.

 

Die orthodoxe Spiritualität ist auch identisch mit dem Leben der Kirche als Leib Christi. Das Leben im Leib Christi mit seinem, am Evangelium orientierten, Ethos wird aber dem Denken dieser Welt und dem heutigen Zeitgeist immer fremdbleiben.

 

Insofern steht jeder Christ immer in einem Spannungsverhältnis zu den allgemein bekannten oder anerkannten An- und Einsichten, also den herrschenden Meinungen in der jeweiligen Gesellschaft. Auch das vermeintliche „Wissen“, auf dem unser gesellschaftlicher Konsens in wissenschaftlichen, politischen oder ideologischen Fragen beruht, gehört zu diesem, von einer Gesellschaft allgemein geteilten und deshalb unhinterfragten innerweltlichen Glaubenssystems.

 

Von diesem ist das, was orthodoxe Christen unter Glauben verstehen, klar unterschieden. Als orthodoxe Christen glauben wir an den dreieinigen Gott, Vater Sohn und Heiligen Geist. Wir begegnen Gott im Menschgewordenen Sohn Gottes Jesus Christus. In der hl. Kirche vollzieht sich das Geheimnis unseres Glaubens. „Das aber ist das ewige Leben, dass sie Dich, Der Du allein wahrer Gott bist, und Den Du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Joh.17: 3). Wenn wir orthodoxe Christen vom Glauben reden, so meinen wir nicht einfach nur Lehrsätze, sondern vielmehr die gesamte Fülle des kirchlichen Lebens.

 

Insofern ist das orthodoxe Glaubensverständnis vom innerweltlichen Glauben, aber auch vom Glaubensverständnis der beiden westlichen Konfessionen unterschieden. Der orthodoxe Glauben ist nicht auf ein bloßes gläubiges „Meinen“, sondern vielmehr ein Leben mit Gott, das die Heiligung als Ziel des Glaubenslebens unverzichtbar einschließt. Der orthodoxe Glaube vermittelt uns, nach den Worten des hl. Athanasius vom Sinai, nicht weniger als die wahre Kenntnis Gott Gottes, Seine rechte Verherrlichung und Anbetung sowie die hieraus entspringende angemessene Lebensweise eines Christen.

 

Der wahre Glaube und der wahre Lobpreis führen uns hin zur Lebensgemeinschaft mit Gott. Wäre Gott abstrakt und nicht personhaft, so würde eine philosophische fundierte Lebensweisheit als Glaube ausreichen. Da aber Gott Einer in drei Hypostasen (Personen) ist, so muss auch der Glaube als das Leben in der Gemeinschaft mit Gott einen persönlichen Charakter haben. Mit Gott, dem absolut heiligen, in Gemeinschaft zu treten, setzt nicht nur eine relationale Rechtfertigung des Sünders, sondern vielmehr seine Heilung von der Sünde und damit seine Verwandlung voraus. Diese  gnadenhafte Verwandlung des Gläubigen in lebendige Ebenbilder Christi nennen die hl. Väter die Vergöttlichung (Θέωσις/ Theosis).Vergöttlichung bedeutet nach den Worten der hl. Väter die persönliche Kommunion mit Gott von Angesicht zu Angesicht (vgl.: Gen. 32: 30).

 

Über dieser Weg zur Gemeinschaft mit Gott, der der zentrale Inhalt des orthodoxen Glaubensweges ist, sagt der große rumänische Bekenner und Theologe Vater Dumitru Staniloae: „In der Heiligkeit erkennt der Mensch sein wahres Wesen, zu dem er berufen ist. Davon ganz ergriffen, erwacht in ihm das Verlangen nach Reinheit und nach der Verbindung mit Gott; und das, weil er Seiner reinigenden Heiligkeit begegnete. Dieses tut ihm wohl, denn er verspürt, dass Gott sein wahres Wesen durchschaut hat und ihn trotz seines sündigen Zustandes nicht verstößt, sondern ihn zur Reinheit ruft. Wenn uns das widerfährt, fühlen wir uns glücklich und erleichtert, da wir nun frei und offen vor Ihm dastehen" (vgl.: Dumitru Staniloae; Orthodoxe Dogmatik Bd. I).

 

Der orthodoxe Glaube ist eben gerade keine Philosophie (vgl.: Kol. 2: 8),die rationalisierbar und in logische Definitionen zu fassen wäre. Der orthodoxe Glaube ist Begegnung mit dem großen Mysterium Gottes. Orthodoxie ist Leben. Und die gläubige Teilhabe an diesem Leben ist die Gabe Gottes zur Erlösung der Welt. Dieser Glaube und die Erlösung ist nur in der hl. Kirche zu finden. Aufgabe der Kirche ist es, dass die Christgläubigen, die in ihr versammelt und eingegliederten sind, die Fülle des Heils im Leben mit Christus erlangen.

 

Deshalb sprechen die hl. Väter über den Glauben auch in sakramentalen und kirchlichen, jedoch nicht in politischen, sozialen oder gesellschaftlichen Kategorien. Nicht einfach nur eine Verbesserung der Welt, sondern ihre Heiligung und Verwandlung in einen Ort der Gottesbegegnung ist die Aufgabe der Kirche. Glauben im orthodoxen Sinn ist also nicht ein abstraktes religiöses Denksystem, weil der Glaube und die Kirche eins sind und weil die Kirche der Leib Christi ist. Sie ist ein lebendiger gott-menschlicher Organismus und nicht einfach eine Religion, die auf theoretische Weise an Gott glaubt. Denn der Eingeborene Sohn, die zweite Person der Allheiligen Dreieinheit, Gott, der Logos, nahm eine menschliche Natur für uns an. Er vereinigte sie in Seiner Person mit Seiner Gottheit und wurde das Haupt der Kirche.

 

Somit ist die Kirche der Leib des Gott-Menschen, der Leib Christi. Deshalb ist der Glaube auch nicht einfach ein seelisches Gefühl oder Empfinden (wie der protestantische Theologe Friedrich Schleiermacher meinte) oder ein vernunftbasiertes logisches Konstrukt (wie der Philosoph Immanuel Kant meinte). Orthodoxer Glaube ist nicht einfach eine Theorie, eine Weltanschauung oder Lehre, sondern die Begegnung mit dem lebendigen Gott, die auf geheimnisvolle, das heißt, sakramentale und spirituelle Weise, unsere Wiedergeburt bewirkt.

 

Der hl. Apostel Paulus unterscheidet klar zwischen dem Gläubigen als einem geistlichen Menschen des Glaubens und dem emotional angerührten Menschen (ψυχικός/ psychikos, d. h. der seelische Mensch). Emotionen sind im orthodoxen Verständnis - so erhebend sie auch immer sein mögen - nicht Ursache des Glaubens, sondern Gefühle begleiten den Glauben nur. Ein Mensch des Glaubens ist im orthodoxen Sinne derjenige, der das Wirken (die ungeschaffenen Gnadengaben) des Heiligen Geistes in sich trägt (1. Kor 2: 14-15).

 

Ein orthodoxer Gläubiger ist jener, der ein Zeuge des Heiligen Geistes, der Wohnung in seinem Herzen genommen hat, und sich daher der Einwohnung des Allheiligen Dreieinigen Gottes bewusst ist. Auf diese Weise erkennt er, dass er ein Sohn Gottes, bzw. sie eine Tochter Gottes, der Gnade nach ist. Nicht geht also am orthodoxen Glauben weiter vorbei, als im Sinne des Phyletismus die hl. Orthodoxie auf einen religiösen Ausdruck einer bestimmten Nation und damit auf eine religiöse Begründung für ihr jeweiliges patriotisches Empfinden zu reduzieren. Der orthodoxe Glaube verleiblicht sich zwar in den besonderen Charismen und in der Eigenart der verrschiedenen orthodoxen Völker, jedoch überschreitet und transzendiert der katholischen Charakter der hl. Orthodoxie immer auch diesen jeweiligen lokalen Ausdruck der Kirche Christi

 

Der hl. Basilius der Große lehrt uns, dass ein Gläubiger zu sein bedeutet, als Mensch zum Tempel des Heiligen Geistes zu werden. Somit ist es der „neue Mensch“ in Christus, der durch die Gnade des Allheiligsten Geistes wieder lebendig gewordene Mensch (hl. Gregor Palamas). Eine besonders gute Beschreibung eines wahrhaft orthodoxen Christgläubigen gibt uns auch der hl. Symeon der Neue Theologe, wenn er sagt, dass der umsichtige, nachsichtige, sanfte Mensch, welcher betet und Gott schaut, wahrhaft im Geiste wandelt. Hiermit ist das Wesen des orthodoxen Glaubens kurz und prägnant umschrieben.

 

Der Glaube im orthodoxen Sinn ist die geistgewirkte Erleuchtung (φωτισμός/ Photismos), gegründet auf dem Fundament der hl. Mysterien Taufe, Myronsalbung und Eucharistie. Diese Erleuchtung empfängt der orthodoxe Gläubige also in den hl. Mysterien der Kirche. Während der Abwaschung des hl. Myrons nach dem Vollzug der Salbung spricht der Priester zum Täufling: „Du bist gerechtfertigt, bist erleuchtet, bist geheiligt, bist abgewaschen durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes...“. Deshalb ist der orthodoxe Glaube und das Feststehen in diesem Glauben, also das dauerhafte Verbleiben im Leib Christi, eine der Gnadenwirkungen des Heiligen Geistes an den Gläubigen.

 

Die hl. Taufe, die hl. Myronsalbung und die erste Teilnahme an der hl. Eucharistie verleihen dem Gläubigen ein Gnadenfundament, auf dem es dann gilt, durch das Zusammenwirken (Συνεργεία/ Synergeia) mit dieser geschenkten göttlichen Gnade, das Christsein weiter aufzubauen und zu entfalten.

 

Durch die hl. Mysterien erfahren wir das geheimnisvolle Heilhandeln Gottes, also die sakramentale Heilung, Wiederherstellung, Verwandlung und Heiligung unseres Menschseins. Wir werden uns von unserer hl. Taufe an ein ganzes Leben lang auf diesem geistlichen Heilungsweg befinden. Die hl. Mysterien sind geistliche Medikamente, durch die wir der Heilwirklichkeit des menschenliebenden und erbarmungsreichen Gottes begegnen dürfen. Als Menschen können wir uns nur mit Glauben und Liebe, mit Demut und Gottesfurcht der, in den hl. Mysterien verhüllt gegenwärtigen, Wirklichkeit der uns schrittweise verwandelnden Göttlichen Gnade soweit anzunähern, „wie wir es zu ertragen vermögen“ (vgl.: Troparion der Verklärung Christi).

 

Der orthodoxe Glaube ist deshalb immer ein Glaubensprozess der Einübung in das Leben in Christus. In der hl. Taufe und Myronsalbung befähigt und erleuchtet, gilt es nun auf unserem Glaubensweg Schritt für Schritt in der Gemeinschaft mit Christus wachsen und uns mehr und mehr der Heiligkeit und damit unserer gnadengewirkten Vergöttlichung anzunähern.

 

Deshalb hat das orthodoxe Glaubensleben auch verschiedene Stadien oder Stufen. Die erste Stufe des Glaubens beginnt mit dem Hören. Dieses gläubige Hören führt uns in den Inhalt des orthodoxen Glaubens ein. Dieser Inhalt ist zusammengefasst im orthodoxen Glaubensbekenntnis, dass wir nicht nur in der Feier der Göttlichen Liturgie und der Komplet beten, sondern ebenfalls in unseren persönlichen Gebeten am Morgen und am Abend. Das gläubige Hören führt uns ein in die  Lehre der hl. Kirche, die auf den Worten der Heiligen Schrift fußt, die in den Schriften der hl. Väter entfaltet und ausgelegt wird, die in den Lebensbeschreibungen der Heiligen veranschaulicht wird und die die Gläubigen durch Predigten und geistliche Ansprachen usw. besser kennen lernen können.

 

Das Mysterium der hl. Taufe wurde bereits in der Taufe des Herrn Jesus Christus im Jordan eingesetzt. Die eigentliche Taufpraxis begann dann mit der Geburt der hl. Kirche aus dem Herabkommen des Heiligen Geistes auf die hl. Apostel. Die erste Taufkatechese hat schon der hl. Apostel Petrus am hl. Pfingstfest gehalten. (vgl.: Apg. 2: 38 f.), denn bereits der Taufbefehl des Herrn vor Seiner Himmelfahrt (Matth. 28:18-20) ordnet dem hl. Mysterium der Taufe auch die Belehrung über den Inhalt des Glaubens zu. Der äthiopische Kämmerer verbindet seinen Wunsch getauft zu werden mit der Frage nach Anleitung im Glauben (vgk.: Apg 8: 31) und die Predigt des Evangeliums durch den hl. Jünger Philippus von den Siebzig vor der Taufe zeigt uns, dass die Verkündigung der Glaubensinhalte und das Mysterium der hl. Taufe, also das Christwerden, zusammen gehören. Auch für den hl. Apostel Paulus gehören Belehrung über den Glauben und Taufe zusammen (vgl.: 1. Kor. 15: 1-3). Der kurze Bericht zur Taufe der hl. Lydia, der Purpurhändlerin, macht die Verbindung von der Annahme des orthodoxen Glaubens und dem Empfang des Mysteriums der hl. Taufe deutlich: Die Apostelgeschichte weist deutlich auf die Offenheit der Lydias gegenüber dem vom hl. Apostel Paulus Gesagten hin. (vgl.: Apg.16:14)

 

In der folgenden Zeit wurde die Taufunterweisung in der hl. Kirche zum Taufkatechumenat erweitert. In der Lehre der Zwölf Apostel (Didache), dem 2. Clemensbrief und bei dem hl. Justin dem Märtyrer wird das Katechumenat ausdrücklich erwähnt.

 

Seit dieser Zeit steht das Katechumenat am Beginn der Eingliederung eines Menschen in die Kirche. Das Katechumenat umfasst die Heranführung an den Inhalt des Orthodoxen Glaubens und Einführung in das geistliche Leben der Kirche durch Teilnahme am Gottesdienst und Gebet. Es mündet dann in Empfang der hl. drei Mysterien, die in den Leib Christi eingliedern: Taufe, Myronsalbung und Eucharistie. Die Begleitung des Täuflings findet hier aber noch nicht sein Ende, sondern auch für die Neugetauften werden seit altkirchlicher Zeit Katechesen gehalten, die zu einem vertieften Verstehen der Bedeutung der hl. Mysterien und des geistlichen Lebens hinführen möchten.

 

Dies finden wir z.B. in den Taufkatechesen des hl. Cyrill von Jerusalem abgebildet: Die ersten neunzehn Katechesen bereiten die Täuflinge auf den Eintritt in die hl. Kirche und für den Empfang der heiligen Mysterien vor und fünf mystagogischen Katechesen belehren dann weiterhin die Neugetauften. Auch wenn wir bereits als Kinder getauft worden sein sollten, auch wenn wir in einem orthodoxen Elternhaus aufgewachsen sein mögen, auch wenn wir ein religiöses Leben in der Gemeinschaft der Orthodoxen Kirche führen, so bleiben wir Zeitlebens auf die Entfaltung unseres Glaubenslebens angewiesen. Die orthodoxe Kirche unterstützt deshalb die Lektüre geistlicher Bücher. Sie lädt in ihren Gemeinden alle getauften und ungetauften Interessenten in Form von Katechesen, Vorträgen und offenen Gesprächen dazu ein, die orthodoxen Glaubensinhalte (besser) kennen zu lernen.

 

Der hl. Märtyrer Daniil Sysoew († 2009) z.B. hatte in der Moskauer Gemeinde zu Ehren des hl. Apostels Thomas damit begonnen, in der Gemeinde „Taufkatechesen für alle Interessierte“ anzubieten. Die Erfahrung der Gemeinde war, dass damit nicht nur viele Orthodoxe zu einem sakramentalen kirchlichen Leben hingeführt werden konnten, sondern auch Angehörigen freikirchlicher Sekten und sogar Muslime den Weg zum wahren Glauben in der orthodoxen Kirche gefunden haben.

 

Erleuchtung durch die hl. Taufe und Heiligung durch das Gebets- und Frömmigkeitsleben sind im Glaubensverständnis der Orthodoxen Kirche nicht voneinander zu trennen. Die Orthodoxie ist zutiefst von der verwandelnden und heilenden Wirkung der Erlösung in Jesus Christus überzeugt. Bereits die Annahme des Glaubens besitzt im orthodoxen Verständnis im Grunde nicht eine punktuell-ereignishaften Charakter, sondern der Glaube hat vielmehr eine dynamische Wirklichkeit, durch die der Glaubende innerhalb des liturgisch-geistlichen Lebens der hl. Kirche das Gnadenwirken Gottes ganz real einbezogen wird. Die orthodoxe Kirche glaubt fest daran, dass wir durch Gottes Gnade in das Ebenbild Christi verwandelt werden können.

 

Bereits der Katechumene gehört zur Kirche. Für ihn wird in der Feier der Göttlichen Liturgie an besonderer Stelle gebetet. Er ist bereits in das Gebetsleben der Kirche mit hineingenommen. Im Gebet beginnt bereits unser Weg vom alten Menschen in seiner Sündenverhaftung hin zum neuen Menschen in seiner gnadenhaften Verähnlichung an Christus. Es ist der Weg der Nachfolge Christi hin zur gnadenhaften Teilhabe an der göttlichen Herrlichkeit.

 

Diese Teilhabe an der göttlichen Herrlichkeit wird uns durch dem Empfang hl. Mysterien geschenkt. Mit dem Empfang der hl. Mysterien Taufe, Myronsalbung und Eucharistie nimmt der Täufling teil an der Erleuchtung und wird als Gläubiger in den Leib Christi, die hl. Kirche eingegliedert. Dieser auf der Erleuchtung basierende Glaube ist jener Glaube, in dem sich die gnadengewirkte Wiederherstellung des Menschen in das Ebenbild Gottes hinein durch die Teilhabe am Leben Gottes ereignet. Wir werden dabei vom Band der göttlichen Liebe umschlungen und gleichsam in sie hineingezogen, so dass sich an unserem Wesen eine heilende und uns wiederherstellende Verwandlung ereignet, eine Verwandlung unserer durch Sünden und Leidenschaften gefallenen und gebrochenen menschlichen Natur hinein in die vergöttlichte menschliche Natur Jesu Christi.

 

Weil unsere Erlösung nur im mystischen Leib Christi auf Erden, der hl. Kirche, stattfinden kann, kann auch niemand für sich allein erlöst und gerettet werden. Aus diesem ekklesiologisch-soteriologischen Verständnis des Glaubens und Kirche sagt der hl. Cyprian, dass es außerhalb der Kirche kein Heil geben kann. Glaube, Heiligung und Erlösung vollziehen sich nur im Rahmen der hl. Kirche. Es ist gerade der durch Christus Selbst erteilte Auftrag an Seine hl. Apostel und Jünger und damit an die hl. Kirche, die durch Sünden und Leidenschaften verwundeten Seelen der Menschen zu pflegen und vermittels der Begegnung mit dem Dreieinigen Gott in Seine Kirche und dort zur Erlösung hinzuführen.

 

Dies geschieht durch die hl. Mysterien. Der hl. Ignatius von Antiochien betont, dass die hl. Eucharistie ein „pharmakon athanasias“ (Φάρμακον Αθανασίας), ein Heilmittel zur Unsterblichkeit ist. Die hl. Mysterien wirken aber nicht magisch, mechanisch oder automatisch an uns, sondern nur in dem Maß und Umfang, in dem wir bereit sind, uns dem Wirken der Göttlichen Gnade zu öffnen und ein Leben mit Christus zu führen. Deshalb bedeutet orthodox Sein, ein orthodoxes, das heißt, ein aus und mit der Kirche gelebtes Leben zu führen. Ziel dieses orthodoxen Lebens ist die Heiligung. Die Heiligung bedeutet, dass wir als Menschen in schöpfungsgemäßer Weise zu leben bereit sind, also gemäß unseres von Gott gut erschaffenen Wesens, das zwar in die Sünde gefallen und verdunkelt worden ist, aber von Jesus Christus Heilshandeln erneuert worden ist.

 

Die hl. Väter sprechen von der Vergöttlichung des Menschen, was gleichbedeutend ist mit seiner Heiligung, also der Durchdringung des ganzen menschlichen Wesens mit der Gnade Gottes mittels der Ungeschaffenen Göttlichen Energien, die uns mit Gott vereinen, allerdings nicht „der Natur nach“, sondern „der Gnade nach“.

 

Der heilige, vergöttlichte Mensch ist in allem der menschlichen Natur Christi gleich. Der hl. Apostel Paulus sagt darüber: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal. 2:20). Er lebt in vollkommener Übereinstimmung mit Gott und Seinem Willen, denn er hat Christi Sinn angenommen; er ist also eins und gleichgesinnt mit Christus (vgl. 1. Kor. 2:16; Phil. 2:20).

 

Diese Heiligung ist ein Glaubensprozess, der unser ganzes Leben lang andauert wird und dabei den Menschen in seiner komplexen Wirklichkeit von Leib, Seele und Geist betrifft (vgl.: 1. Thess. 5:23).

 

Wenn wir mit Menschen außerhalb der Kirche über den Glauben und die Kirche sprechen, so müssen wir uns immer wieder vor Augen halten, dass sie die Erleuchtung noch nicht empfangen haben. Wir können gute Gründe und Evidenzen für den Glauben und die Kirche vortragen, wir können die Lehren Christi erklären und auslegen, wir können damit das Samenkorn des Glaubens in ihre Herzen legen, aber erst die hl. Taufe, die hl. Myronsalbung und die hl. Eucharistie lassen dies alles zur Erleuchtung, zum wahrhaft christlichen Glauben werden.

 

Es geht auch für uns getaufte orthodoxe Christen immer darum, „lebendig zu glauben“, also mit Christus vereint zu bleiben und nicht in das Hörensagen religiöser Konventionen zurückzufallen. Und wenn wir in das Hörensagen zurückgefallen sind, gilt es dem Beispiel der Heiligen zu folgen: In der Buße und hl. Beichte geistlich wieder aufzuerstehen und Christus erneut ganzheitlich nachzufolgen und ein Leben in und aus der Gemeinschaft mit Ihm zu führen.

 

Der orthodoxe Glaube ist immer eine Gnadengabe Gottes und eben gerade nicht ein erworbener oder verliehener Habitus. Er entsteht durch die Erleuchtung in der hl. Taufe, in der wir mit Christus vergöttlichter Menschennatur geistlich überkleidet werden. Aber der unverlierbare Habitus ist die Taufgnade, aus der unser Glaubensleben, also unser geistliches Leben in der Gemeinschaft der hl. Kirche immer wieder erneuert hervorgehen muss. Der orthodoxe Glaube kann wieder verloren gehen, wenn wir ihn nicht leben. Beim orthodoxen Glauben geht es um das Bleiben des Gläubigen in der Gegenwart Gottes. Es geht nicht um wandelbare Empfindungen, um theoretische Worte, sondern die das permanente Leben in der Gestaltungskraft des orthodoxen Glaubens.