Der orthodoxe Fürbittgottesdienst

 

Die Paraklesis (Παράκλησις) oder das Moleben (молебен) ist ein Trost- oder Fürbittgottesdienst der orthodoxen Kirche. Der Kanon, der mit oder ohne Akathistos-Hymnus gesungen werden kann, richtet sich an unseren Herrn und Erlöser Jesus Christus Selbst, an die Allheilige Gottesgebärerin oder einen bestimmten Heiligen mit der Bitte um Beistand und Fürbitte.

 

Vor allem in der griechischen Tradition ist der „Kleine  Trostkanon zur Allheiligen Gottesgebärerin“ (μικροσ παρακλητικοσ κανων στην υπεραγια θεοτοκο) der Bekannteste. Doch kennt sowohl die griechische wie die russische Tradition eine Vielzahl von Kanon-Hymnen, die jeweils in der Paraklesis und dem Moleben Verwendung finden.

 

Außer dem Kanon enthält dieser Gottesdienst bestimmte Psalmen (Psalm 51 & Psalm 142), Troparien, Stichieren und Fürbitten (Ektenien).

 

Diese „Kleine Parakisis“ kann zu allen Anlässen im Kirchenjahr gesungen werden. In den Gottesdienst der Praklesis, wie auch das slawische Moleben, kann ebenfalls eine Kleine Wasserweihe eingebunden sein.

 

Die orthodoxen Gläubigen besuchen entweder den Fürbittgottesdienst (Paraklesis/Moleben) in der Kirche oder bitten den Priester, den Fürbittgottesdienst und die Kleine Wasserweihe bei Ihnen zu Hause zu vollziehen, damit der Segen Gottes in die Familie und auf alle Mitglieder des Haushaltes herabkomme.

 

Vor allem im Krankheitsfall bitten die Orthodoxen gern den Priester ins Haus zum Erkrankten zu kommen, ihm zunächst die Heilige Beichte abzunehmen und die Heilige Kommunion zu reichen, und dann das heilige Ölsakrament (Krankensalbung) zu vollziehen. Darüber hinaus kennt die orthodoxe Kirche auch die Möglichkeit, den Fürbittgottesdienst am Bett des Kranken zu lesen, damit der Kranke göttlichen Trost empfange, Gottes Rettung erfahre und auf die Fürsprache der Allheiligen Gottesgebärerin und der übrigen Heiligen baldige Wiederherstellung seiner Gesundheit erlange.

 

Während die kleine Paraklesis, die vom Mönch Theosterictos im 9.Jahrhundert verfasst wurde, an jedem beliebigen Tag des Kirchenjahres gesungen werden kann, ist die Große Paraklisis (Μέγας Παρακλητικς Κανν τς Παναγίας), die im 13.Jahrhundert vom rhomäischen Kaiser Theodore II. Laskaris verfaßt wurde, dem Zeitraum des Marienfastens (1 - 14. August) vorbehalten. Das griechische Typikon legt fest, dass die Kleine und Große Praklesis in diesem Zeitraum (vor dem Fest des Entschlafens der Muttergottes) an den Abenden im Wechsel gesungen werden können. Jedoch entfällt die Praklesis am Vorabend der Sonntage (= Samstagabend) und am Vorfest von Christi Verklärung (= am Abend des 05. August).

 

Die Grundstruktur für den Fürbittgottesdienst folgt dem liturgischen Aufbau der Utrenja (Orthos). Deshalb sind die entsprechenden wechselnden Teile wie die Troparia, Stichieren, Prokimena und das entsprechende (Morgen-)Evangelium den Minäen dem Festtag oder dem Gedenktag des Heiligen entnommen.

 

Die russische Tradition kennt auch eine Vielzahl von Moleben zur Verehrung der heiligen wundertätigen Ikonen der Gottesmutter. Nicht nur bei Schwierigkeiten, bei einem Unglück oder in schwerer Krankheit, sondern auch beim Einzug in eine neue Wohnung, bei Beginn eines guten Werkes, zu Beginn des neuen Jahres, zum Schulbeginn der Kinder, wenn eine neue Arbeitsstelle angetreten wird, aus Dankbarkeit für eine empfangene Wohltat, vor dem Antritt einer Reise oder aus Frömmigkeit und zu Ehren eines bestimmten Heiligen: Zu diesen und vielen anderen Gelegenheiten erbitten die russischen Gläubigen in der Regel ein Moleben vom Priester.

 

Eine Besonderheit der russischen Tradition ist, dass im Moleben heutzutage der Kanon meist ausgelassen wird und nur noch die entsprechenden Refrain-Verse (Raspjew) gesungen werden. (z.B. „Allheilige Gottesgebärerin, rette uns!“ oder: „Heiliger Nikolaus, bitte zu Gott für uns!“) Während die Oden ausgelassen und nur noch die Refrain-Verse (oft für die Allheilige Dreieinheit, dann die Allheilige Gottesgebärerin und verschiedene Heilige) gesungen werden, werden die Kleinen Ektenien an der entsprechenden Stelle gebetet und teilweise werden auch noch die Irmoi der dritten, sechsten und neunten Ode gesungen.

 

Wird hingegen der gesamte Kanon gelesen, so spricht man in der russischen Tradition heute vom Molebnyj Kanon (молебный канон). Auch der längere Molebnyj Kanon wird zu Ehren des Erlösers, der Allheiligen Gottesgebärerin, eines Festtages, besonderen Heiligen oder Märtyrers gelesen. Nach der sechten Ode des Kanon kann ein entsprechender Akathistos eingefügt und das (Morgen-) Evangelium gelesen werden.

 

Weder die Paraklesis in den Kirchen der griechischen Tradition, noch das Moleben in den Kirchen der russisch-slawischen Tradition ist ein starres liturgisches Gefüge. Je nach Anlass und Situation kann es nach den jeweiligen Regeln der landeskirchlichen Lokaltradition vollständig oder in gekürzter Form gebetet werden.

 

Obwohl die Paraklesis oder das Moleben, wie alle orthodoxen Gottesdienste, in aller Regel durch einen Priester geleitet werden, kann diese Gebetsordnung auch zur persönlichen Andacht genutzt werden. Die orthodoxen Gläubigen finden die Ordnung der Paraklesis oder des Molebens als „Kleiner Trostkanon an die Allheilige Gottesgebärerin“ in ihren orthodoxen Gebetbüchern abgedruckt. So kann das Moleben auch privat oder in der Familie gebetet werden. Ist aber kein Priester zugegen, so werden alle priesterlichen Segen ersetzt durch: „Auf die Gebete unserer heiligen Väter, Herr Jesus Christus, unser Gott, erbarme Dich unser. Amen“. Die kleinen Ektenien werden ersetzt durch: „Herr, erbarme Dich.“ (dreimal) „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“ Die inständige Ektenja wird ersetzt durch:  „Herr, erbarme Dich.“ (vierzigmal) „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

 

Das Moleben besitzt in den Kirchen der russisch-slawischen Tradition eine besonders große Bedeutung. Im slawischen Großen Euchologion, dem Großen Trebnik (Требник Большой), ist den verschiedenen Moleben ein eigener Band gewidmet.

 

Normalerweise wird das Moleben vor der Ikone des entsprechenden Heiligen gelesen. In der Regel steht dann vor der Ikone ein Lesepult (Analoi) mit dem Evangelienbuch und dem priesterlichen Handkreuz. Außer in der Kirche kann das Moleben jedoch auch während einer Prozession oder auf einer Pilgerreise gesungen werden. Wird das Moleben bei einer Prozession rund um die Kirche gesungen, wie es zum Beispiel in der Lichten Woche (Osterwoche) üblich ist, so hält die Prozession an den vier Seiten der Kirche an und der Priester sprengt Weihwasser über die Gläubigen, die Kirchenfahnen, das Prozessionskreuz, und die mitgeführten Ikonen (bei der Prozession in der Lichten Woche wird an jeder Seite der Kirche vorher ein Auferstehungsevangelium gelesen).

 

Priester Thomas Zmija